Freitag, 12. Februar 2016

Un - heiliger, un - heiliger Kampfhund - Begriff

(Edit. 13.02.2016)
In den vergangenen Tagen wurde u. a . in  den sozialen Netzwerken die Frage aufgeworfen, ob die Halter von sog. "Listen"-Hunden (also Hunde, die enumerativ in den sog. Rasselisten der Bundesländer sowie im Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz - HundVerbrEinfG aufgeführt sind und denen bereits rassebedingt eine Gefährlichkeit widerleglich oder unwiderlegbar unterstellt wird) ihre Hunde nicht endlich/einfach wieder als "Kampfhunde" bezeichnen resp. bezeichnen lassen sollten, da es nun Mal historisch/züchterisch Kampfhunde seien - so wie auch Jagdhunde eben als Jagdhunde bezeichnet werden. Die Diskussion geht aktuell v. a. auf einen Blogbeitrag von Herrn TA Rückert zurück, an den sich auch hiesiger Blog-Titel anlehnt. Meine folgende persönliche Meinungsäußerung ist eine Replik auf diverse Punkte seines Beitrags:

Ich gehe mit der geäußerten Meinung von Herrn TA Rückert, dessen Blogbeiträge ich sonst schätze, in Teilen nicht konform, da mir darin zu sehr pauschalisiert, mit z. T. recht drastischer Wortwahl agiert und teils letztlich längst Bekanntes wie "als erstmals ausgesprochen" dargestellt wird; einiges erscheint mir jdf. aus meiner Laiensicht auch kynologisch wenig überzeugend. Bei berechtigten Kritikpunkten wie  z. B. einer bestimmten kritisch zu sehenden Halterklientel oder der z. T. die Opfer aussen vorlassenden Diskussionen bei Beißvorfällen, werden jeweils andere Seiten unerwähnt gelassen: Eine problematische Halterklientel gab und gibt es hunderassenübergreifend seit jeher und im "Listen"-Hundekontext dürfte sich die Halterzusammensetzung in den letzten Jahren gerade auf sehr positive Weise aus den überkommenen Klischees fortentwickelt haben (Alters-, Berufsgruppen-, Familien-Bezug usw.). Und solange Medien - egal in welchem Themenkontext - "Kampfhunde"-Schlagzeilen produzieren, versehen mit Fotos/Videos von zähnefletschenden Hunden hinter Gittern, wird es bei nicht wenigen Menschen auch weiterhin reflexartig zur Abwehrhaltung und damit leider auch oftmals zur  Ausblendung der Opferseite bei Beißvorfällen kommen. Dies ist inakzeptabel, ohne Frage, nur gehören wie so oft mehrere Seiten dazu.

Fakt ist weiterhin, dass z. B. niemand, der auf seriöse Weise die Abschaffung der Rasselisten fordert, dies nicht auch mit einem Halter-/Sachkunde-Konzept resp. Hundeführerscheinforderungen, ebenso mit Forderungen nach seriösen offiziellen Zuchten (die es i. Ü. v. a. für Staffordshire Bullterrier und Bullterrier im VDH-Verband längst gibt) usw. verbindet: Dieser Forderungsverbund ist seit vielen Jahren Realität, durch viele Orgas und Vereine (wie u. a. den Soka Run e. V. seit zig Jahren, um ein sehr prominentes Beispiel zu nennen; siehe hierzu auch unsere bekannte Petition/umfangreiche Stellungnahme mit Gesetzesentwurfvorschlag vom 27.10.2015 unseres Vereins): Diskutabel sind die Modifikationen dessen, insofern ist die von Herrn TA Rückert angeregte 20/40-Lösung (ab über 20 kg Endgewicht o. über 40 cm Schulterhöhe des Hundes  = Halter-Sachkundenachweispflicht)  eine der möglichen und schon oft diskutierten Varianten. Bekannt ist hinlänglich auch, dass aufgrund der Rasselistenauflagen die "Listen"-Hundehalter bundeslandabhängig seit Jahren Sachkundenachweise incl. polizeilicher Führungszeugnisse erbringen müssen und an den Hunden - zur Widerlegung der Gefahrunterstellung-/vermutung - Wesenstests durchgeführt werden, v. a. letzteres durch z. T. sehr umstrittene, die Hunde in große Bedrängnis führende Methoden, viele Hunde, egal welcher Rasse, würden solche Tests nicht bestehen können, verständlicher und natürlicher Weise. Von Hunden, deren Haltung durch Leinen- und Maulkorbzwang sowieso schon eingeschränkt wird, auch aus dem Tierheim/Tierschutz kommend und deren Halter bereits unter großem Druck aufgrund der Vorurteile u. Auflagen stehen, wird dies jedoch als selbstverständlich erwartet. Welche "ersten Schritte" im Kontext dessen Hr. TA Rückert von den Haltern erwartet/meint  - es ist nicht ganz nachvollziehbar.

Des Weiteren ist zu der mangelnden Traute von Politikern, die von Herrn Rückert zur Rasselistenabschaffung angesprochen wird, zu konstatieren, dass Niedersachsen und Schleswig-Holstein keine Rasselisten mehr  haben (Nds. schon seit 2003, SH seit 2016), es gibt also Politiker, die sich das "trauen".

Es ist im Kontext dessen auch kein Alleinstellungsmerkmal von "Listen"-Hunden (wobei sich fragt, welche genau), dass Leute bei ihrem Anblick Angst empfinden können: Angst dürften Menschen auch beim Anblick von  Leonberger, DSH, Rhodesian Ridgebacks, Akitas, Boxern usw. usf. haben können, sofern diese "instinktiven" Ängste überhaupt, so wie von Herrn Rückert dargestellt , derart allgemein zuträfen. Menschen, die grundsätzlich Angst vor (allen) Hunden haben, unterscheiden i. d. R. in der Situation nicht mehr groß nach der Rasse oder individueller Optik.

Ja - und sicher, es werden viele, teils wenig sinnbringende Fotos und manchmal auch mehr als kritikwürdige Videos v. a. im Hund-Kind-Kontext verbreitet, was mir & vielen anderen ebenso ein Dorn im Auge ist - und sofern man Gruppenmoderator z. B. in einer Facebook-Gruppe ist, dies auch versucht, entsprechend zu regulieren oder in den Diskussionen zu moderieren. Nur letztlich ist das "niedliche Bilder etc."-Posten zum  einen nicht nur ein sehr menschliches Phänomen, was allein "Listen"-Hunde betrifft, sondern alle Hunderassen bis hin zu allen Tierarten weltweit (eine Cousine von mir in den USA züchtet Papageien, seit ich bei FB mit ihr verbunden bin, ist mein Status mit Papageien-Fotos-/Filmen reichlich bedacht, deren Existenz und noch dazu in der Fülle mir vorher nicht ansatzweise bekannt waren). Zum anderen sind es v. a. "Listen"-Hunde, die nicht nur schon allein aufgrund ihrer Rasse in großer Anzahl euthanisiert wurden, sondern auch von den Medien immer wieder in "reißerischer" Form dargestellt werden: Mit anderen Fotos dagegen zu halten und ein anderes Bild vermitteln zu wollen, dürfte sicher nicht immer gelungen, aber dennoch menschlich allzu verständlich sein; und eine teils sicher fragwürdige Verherrlichung "ihrer Hunderasse" - nun, auch das betrifft Halter aller Hunderassen.

Nein - und zwar ganz klar nein, unser knapp dreijähriger Staffbull, mit Hunden beiden Geschlechts sozialverträglich (wie es so schön heißt), ist KEIN Kampfhund, denn weder nehmen wir mit ihm an Hundekämpfen teil noch haben wir ihn dazu mit tierquälerischen Maßnahmen "animiert". Seiner offiziellen Ahnentafel ist auch nicht entnehmbar, dass seine Vorfahren in den letzten Jahrzehnten dazu mißbraucht wurden, er stammt aus einer seriösen Zucht einer dem VDH angehörigen Züchterin. Hundekämpfe wurden z. B. in Großbritannien bereits 1835 offiziell verboten (Staffordshire Bullterrier wurden ursprünglich auch zum Rattenfang "gezüchtet"). Selbst wenn es illegal bis heute Hunde-/Tierkämpfe aller Art (weltweit) gibt, wurde die offizielle Zucht schon seit damals anders ausgerichtet, abgesehen davon, dass bis heute für das letztlich unnatürliche "Kampf"-Verhalten die insofern illegal vermehrten Hunde auf furchtbarste Weise gehalten, malträtiert und gedopt werden, was um so mehr zeigt, dass es kaum allein auf (degenerierte) Vermehrungen sprich angebliche (vererbte) Genetik zurückführbar ist, um Hunde für den Ring (Pit) oder allgemein "kampftauglich" zu machen. 

Diese (tatsächlich als Kampfhunde mißbrauchten Tiere) sind jedoch auch nicht die Hunde, die wir tagtäglich auf der Straße treffen, sie kommen nie dahin - schon daher kann Herrn Rückert mit seinen Aussagen bzw. seiner Idee der "normalen Kampfhund-Bezeichnung"  kaum zuzustimmen sein.

In dem Kontext hinkt m. E. auch der Vergleich von Herrn Rückert zur Bezeichnung "Jagdhund" etc.: Jagen ist ein natürliches Verhalten, unterschiedlich bei allen Hundeindividuen ausgeprägt, Kämpfen in der Pit mit anderen Hunden/Tieren, manipuliert von Menschen, ist dies jdf. nicht, es ist ein menschlich verursachter, furchtbarer Mißbrauch am Tier. Die Evolution hat Angreifen und Kämpfen für Ausnahmesituationen vorgesehen, würden Hunde "von Natur aus" / genetisch bedingt / züchterisch selektierbar mit jedem anderen Hund kämpfen wollen, hätte sich die Art längst selbst erledigt (was nicht heißt, dass es unter Hunden aller Rassen individuell auch "Raufbolde" geben kann, die Ursachen dafür dürften vielfältig sein). Eine interessante Lektüre ist übrigens das Buch "Natürlich Aggressiv", Hrsg. Udo Gansloßer mit namhaften Co-Autoren, ebenso ist das Buch von John Bradshaw "Hunde Verstand" eine weitreichende Grundsatzlektüre.


Ein meiner Meinung nach spannender wie grundsätzlicher Problempunkt ist bei dem Ganzen auch, ob und wie zuchtselektiv bestimmte "Merkmale" überhaupt vererbt werden können bzw. ob Züchter - mit unterschiedlichsten Hintergründen - seit vielen Jahrhunderten  bestimmte Dinge/Merkmale "als vererbbar" behaupten, die es aber streng genommen vielleicht so gar nicht sind, auch, um ihre Zucht monetär zu rechtfertigen (i. Ü. seit vielen Jahrzehnten womöglich auch Teile der Hundetrainerbranche, um "rassespezifischen Trainingsbedarf" zu verkaufen), was am Ende zwar menschlich verständlich ist, jedoch noch nichts über die objektive Belegbarkeit aussagt. Was erbbiologisch im Detail als endgültig bewiesen vererbbar angesehen werden kann und was nicht bzw. welches Verhalten/welche Eigenschaften vielmehr von  individuellen Entwicklungen der Hunde unterschiedlichster Hunderassen im Rahmen ihren Sozialkontextes abhängen - dies scheint mir ein sehr weites, fachspezifisches Feld zu sein. Es lohnt sich durchaus, hierzu auch unsere Stellungnahme/Petition zu lesen, da darin jdf. im "Listen"-Hundekontext namhafte Fachleute zitiert werden. Interessant ist dabei i. Ü. auch, dass erwiesen durch vielzählige Rettungen und Rehabilitierungsprojekte der letzten Jahrzehnte als Kampfhunde mißbrauchte Hunde resozialisiert werden konnten, lebend in Familien, auch mit anderen Hunden zusammen (sicher nicht alle, doch genug, so dass dies nicht als "Ausnahme" ansehbar ist, ein sehr prominentes Beispiel aus den USA "The Vicktory Dogs - Michael Vick Dogs"; The Champions - US-Dokumentationsfilm: Als Laie und allein mit meinem Herzen sage ich, die Hunde hatten es einfach satt, gequält zu werden, zu kämpfen, sie waren erlöst und nahmen die menschliche Hilfe mehr als dankbar an. Fachlich dürfte gerade dies ein beachtenswerter relevanter Baustein in der ganzen "Listen"-Hunde-Debatte sein.

Abschließend möchte ich von  Herrn Thomas Riepe aus dem Jahr 2014 seinen Blogbeitrag

Gefährliches Monster? Überhund? Oder einfach nur Hund? Der American Staffordshire Terrier


sowie aus dem Blog Antihond/Antis Blog den Beitrag


als sehr lesenswert empfehlen. Nun, und ganz  am Ende darf natürlich auch ein Foto unseres Hundes nicht fehlen, der all das sowieso nicht versteht: 
 


Kerstin Reck, Mitglied im Verein zur Abschaffung der Rasselisten e. V.



Verein zur Abschaffung der Rasselisten e.V., Neustr. 2, 47638 Straelen Eingetragen im Vereinsregister des AG Geldern unter Nr.: VR 1677 - Impressum

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